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Bosko Biati

14. Folge: Turandot
Bosko Biati, unser berühmter Rätselexperte, kennt einen interessanten Text von Friedrich von Schiller. Dieser übersetzte ein italienisches Theaterstück und verfasste dafür 14 Rätsel. Johann Wolfgang von Goethe steuerte ein weiteres Rätsel bei, sodass die 3 Rätsel, die pro Vorstellung benötigt werden, immer wieder ausgetauscht werden konnten. In der folgenden gekürzten Fassung der vierten Szene des zweiten Aktes wurden die 3 Lösungen weggelassen, um Ihnen den Ratespaß nicht zu verderben.

Turandot (nach einer langen Pause):
Wer ist’s, der sich aufs Neu vermessen schmeichelt,
Nach so viel kläglich warnender Erfahrung,
In meine tiefen Räthsel einzudringen!
Der, seines eignen Lebens Feind, die Zahl
Der Todesopfer zu vermehren kommt!
Altoum (zeigt auf Kalaf, der erstaunt in der Mitte des Divans steht):
Der ist es, Tochter – würdig wohl ist er’s,
Daß du freiwillig zum Gemahl ihn wählest,
Ohn’ ihn der furchtbarn Probe auszusetzen
Und neue Trauer diesem Land, dem Herzen
Des Vaters neue Stacheln zu bereiten.
Turandot: Prinz, noch ist’s Zeit. Gebt das verwegene
Beginnen auf! Gebt’s auf! Weicht aus dem Divan!
Ich bin nicht grausam. Frei nur will ich leben;
Muß denn die Schönheit eine Beute sein
Für Einen? Sie ist frei, so wie die Sonne,
Die allbeglückend herrliche, am Himmel,
Der Quell des Lichts, die Freude aller Augen,
Doch Keines Sklavin und Leibeigenthum.
Kalaf: So hoher Sinn, so seltner Geistesadel
Ich also zeih’ Euch keiner Grausamkeit;
Doch nennt auch Ihr den Jüngling nicht verwegen
Und haßt ihn nicht, weil er mit glühnder Seele
Nach dem Unschätzbaren zu streben wagt!
Ihr selber habt ihm seinen Preis gesetzt,
Womit es zu erkaufen ist – die Schranken
Sind offen für den Würdigen – Ich bin
Ein Prinz, ich hab’ ein Leben dran zu wagen.
Kein Leben zwar des Glücks; doch istʹs mein Alles,
Und hätt’ ich’s tausendmal, ich gäb’ es hin.
Turandot: Und er allein riss’ mich zum Mitleid hin?
Nein. Turandot, du mußt dich selbst besiegen.
– Verwegener, wohlan! Macht Euch bereit!
Altoum: Prinz, Ihr beharrt noch?
Kalaf:                                         Sire! ich wiederholʹ es:
Tod oder Turandot!
Altoum:                           So lese man
Das blutige Mandat. Er hör’s und zittre!
Pantalon (empfängt das Gesetzbuch, nachdem er sich mit der Stirn auf die Erde geworfen, steht auf und liest dann mit lauter Stimme.):
»Es kann sich jeder Prinz um Turandot bewerben,
»Doch erst drei Räthsel legt die Königin ihm vor. C »Löst er sie nicht, muß er vom Beile sterben,
»Und schaugetragen wird sein Haupt auf Peckins Thor.
»Löst er die Räthsel auf hat er die Braut gewonnen.
»So lautet das Gesetz. Wir schwören’s bei der Sonnen.«
Turandot (in declamatorischem Ton, aufstehend):
            Mit W bin ich ein Wesen trefflich klein.
            Mit N bedeute ich soviel wie Nein.
            Mit G in den Gelenken bring ich Pein.
            Mit S bereite ich dem Sehen Bahn.
            Jedoch wie heiße ich mit L, sag an? (Sie setzt sich wieder).
Kalaf (nachdem er eine Zeitlang nachdenkend in die Höhe gesehen, verbeugt sich gegen die Prinzessin) :
Zu glücklich, Königin, ist Euer Sklav,
Wenn keine dunklern Räthsel auf ihn warten.
(… Lösung 1 …)

Altoum (freudig): Der Götter Gnade sei mit dir, mein Sohn,
Und helfe dir auch durch die andern Räthsel!
Turandot (entrüstet, für sich):
Er sollte siegen? Mir den Ruhm entreißen?
Nein, bei den Göttern! (Zu Kalaf.) Selbstzufriedner Thor!
Frohlocke nicht zu früh! Merk’ auf und löse!
(Steht wieder auf und fährt in declamatorischem Tone fort.)
            Mit D deute ich an, wie ohne Licht wohl anmutet das Zimmer.
            Mit P bin ich die wen’ge Müh’, der es bedarf die Kerz’ zu löschen.
            Mit H versuch’ im Hals ein Kratzen ich im Augenblick zu lindern,
            Wenn dir die Furcht vor großer Schmach die rauhe Kehle engt und trocknet.
            Mit SCH bin ich der Schöpfer deines Schuhs, in dem du jetzo fliehest.
            Mit M bin ich ein Ganzes zwar, doch starrköpfig beharrt mein Wesen
            Auf einer Vielzahl gleicher Teile, welche stets ich wiederhole.
            Gleichwohl, wie nennst du mich mit L, Verweg’ner, der dir unter meinem
            Hoch erhabnen Lichte mich zu schauen durchaus nicht genügt?
Kalaf (nach einem kurzen Nachdenken, sich gegen die Prinzessin verbeugend):
Zürnt nicht, erhabne Schöne, daß ich mich
Erdreiste, Eure Räthsel aufzulösen.
(… Lösung 2 …)

Altoum: Welch unverhofftes Glück! Ihr güt’gen Götter!
O, laßt ihn auch das letzte Ziel noch treffen!
Turandot (steht auf in heftigem Zorn):
Eh soll die Welt zu Grunde gehn! Verwegner,
Ich hasse dich nur desto mehr, je mehr
Du hoffst mich zu besiegen, zu besitzen.
Kalaf: Nur Euer Haß ist’s, angebetete
Prinzessin, was mich schreckt und ängstiget.
Dies unglücksel’ge Haupt sinkt in den Staub,
Wenn es nicht werth war, Euer Herz zu rühren.
Altoum: Steh ab, geliebter Sohn! Versuche nicht
Die Götter, die dir zweimal günstig waren.
Nichts helfen dir zwei Siege, wenn der dritte
Dir, der entscheidende, mißlingt – Je näher
Dem Gipfel, desto schwerer ist der Fall.
– Und du – laß es genug sein, meine Tochter,
Steh ab, ihm neue Räthsel vorzulegen.
Er hat geleistet, was kein andrer Prinz
Vor ihm. Gib ihm die Hand, er ist sie werth,
Und endige die Proben.
Turandot:                             Ihm die Hand?
Die Proben ihm erlassen? Nein, drei Räthsel
Sagt das Gesetz. Es habe seinen Lauf.
Kalaf: Es habe seinen Lauf. Mein Schicksal liegt
In Götterhand. Tod oder Turandot!
Turandot: Tod also! Tod! Hörst du’s?
(Sie steht auf und fährt auf die vorige Art zu declamieren fort.)
            Mit S bin ich Sekunden, die im Uhrglas dir noch bleiben.
            Mit R bin ich der Abgrund, an den Wagnisse dich treiben.
            Mit W bin ich die Mauer, die ein Haus vor Fremden schützt.
            Mit T bin ich der Trödel, der dir schlechterdings nichts nützt.
            Mit H bin ich des Häschers harte Faust, um dich zu fangen.
            Mit B bin ich die Bindung, die du niemals wirst erlangen.
            Doch räthst du, was mit L ich bin? Vor Leichtsinn in den Wellen
            Der rauhen See des Räthsels wirst du sonst an mir zerschellen!
(Mit den letzten Worten reißt sie sich ihren Schleier ab.)
Sieh her und bleibe deiner Sinne Meister!
Stirb oder nenne mir das Wort!
Kalaf (außer sich, hält die Hand vor die Augen):
O Himmelsglanz! O Schönheit, die mich blendet!
Altoum: Gott, er verwirrt sich, er ist außer sich.
Faß dich, mein Sohn! O, sammle deine Sinne!
Turandot (hat den Prinzen, der noch immer außer Fassung da steht, unverwandt betrachtet):
Du wolltest dein Verderben. Hab’ es nun!
Kalaf (hat sich gefaßt und verbeugt sich mit einem ruhigen Lächeln gegen Turandot):
Nur Eure Schönheit, himmlische Prinzessin,
Die mich auf einmal überraschend, blendend
Umleuchtete, hat mir auf Augenblicke
Den Sinn geraubt. Ich bin nicht überwunden.
(… Lösung 3 …)

Pantalon: O, sei gebenedeit! Laß dich umhalsen!
Ich halte mich nicht mehr vor Freud’ und Jubel.
(Altoum ist voll Freude vom Throne gestiegen. Alle Thüren werden geöffnet. Man erblickt Volk. Alles dies geschieht, während die Musik fortdauert.)
Altoum (zu Turandot): Nun hörst du auf, mein Alter zu betrüben,
Kommt an mein Herz, geliebter Prinz, mit Freuden
Begrüß’ ich Euch als Eidam!
Turandot (ist wieder zu sich gekommen und stürzt in sinnloser Wuth von ihrem Throne, zwischen beide sich werfend):
                                                Haltet ein!
Die Probe war zu leicht. Er muß aufs neu’
Im Divan mir drei andre Räthsel lösen.
Man überraschte mich. Mir ward nicht Zeit
Vergönnt, mich zu bereiten, wie ich sollte.
Altoum: Grausame Tochter, deine Frist ist um!
Erfüllt ist die Bedingung des Gesetzes.
So trete man den Zug zum Tempel an.
Der Fremde nenne sich, und auf der Stelle
Vollziehe man die Trauung.

Bosko Biati

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